World of Mindset: Wo würden Sie ihre mentale Gesundheit einstufen? Auf einer Skala von 1 bis 10?
Frau Oehmichen: Man kann ja verschiedenes unter mentaler Gesundheit verstehen, aber wenn ich mich an dem orientiere, was ich darunter verstehe, würde ich sagen im Schnitt 8 .
World of Mindset: Was tun sie um sich aufzumuntern, wenn Sie mal einen schlechten Tag haben, oder um aus einem Tief herauszukommen?
Frau Oehmichen: Es hängt davon ab, was es für ein Tief ist und ich habe kein Standardding was ich immer mache, sondern versuche die ganze Zeit Dinge zu tun, die mir helfen, dass mich bestimmte Situationen gar nicht erst so runterziehen. Zum Beispiel mache ich seit ein paar Jahren regelmäßig Yoga, also nicht nur, wenn es mir schlecht geht, sondern eben regelmäßig, und das hilft mir mit solchen Situationen umzugehen. Was mir auch hilft ist, wenn ich zum Beispiel mich aufs Sofa kuschele, Tee trinke und ein Buch lese.
World of Mindset: Manchen hilft es ja auch Sport zu machen, wie ist das bei ihnen? Entspannen Sie dich dann eher?
Frau Oehmichen: Also ich fahre auch gern Fahrrad, aber wenn’s mir schlecht geht würde ich jetzt nicht denken: „Oh ich muss jetzt raus, Fahrrad fahren oder rennen“.
World of Mindset: Und wie motivieren Sie sich, wenn Sie merken, dass ihre Schüler gedanklich abwesend sind?
Frau Oehmichen: Dann versuche ich vor allem, die Schüler zu motivieren, indem ich was Lustiges oder Aktivierendes machen, oder einfach guten Unterricht. Je nach Situation frage ich einfach, was los ist – manchmal ist es ja auch greifbar, dass es insgesamt ein Problem ist, etwas, das grade hochkocht, bei einzelnen Schülern oder bei der ganzen Gruppe. Und wenn ich selber Stress habe, kann es aber auch manchmal passieren, dass ich den Frust dann weitergebe, und sage: „Was ist denn das hier? Warum passt denn niemand auf?“ Aber ich würde sagen, das ist zum Glück sehr selten so.
World of Mindset: Hatten Sie als Schüler oder als Student auch Erfahrungen, dass Sie gestresst waren, oder keine Motivation hatten oder sogar ein richtiges Tief?
Frau Oehmichen: Das ist ja schon bisschen länger her, aber eigentlich war ich überwiegend eine ganz gute Schülerin und das meiste hat ganz gut geklappt. Nur die letzten 2 Jahre ist mir der Matheunterricht extrem schwergefallen, weil ich gefühlt absolut nichts mehr verstanden habe und es nur so ein Absitzen war. Und halt einige Lehrer, die ich ungerecht fand. An der Uni war es während den Prüfungszeiten stressig, aber ich habe jetzt nicht so krass unter „Leistungsstress“ gelitten.
World of Mindset: Und zieht es Sie jetzt immer noch runter, wenn Sie denken, dass eine Situation komplett sinnlos ist?
Frau Oehmichen: Ja, ich kann mich sehr schwer motivieren zum Beispiel Klassenarbeiten zu korrigieren. Ich bin mittlerweile der Überzeugung, dass Klassenarbeiten, so wie wir sie kennen, eine Art ist Leistungen zu messen, die der Sache eigentlich nicht wirklich gerecht wird. Begabungen, Arbeitstempo und Ausdrucksformen sind so unterschiedlich, und es wird niemandem gerecht, wenn alle Schüler einer Klasse am selben Tage die exakt gleiche Arbeit in der exakt gleichen Zeit schreiben müssen. Manche können sich schriftlich einfach nicht so gut ausdrücken – für sie wäre eine mündliche Prüfung, oder auch eine Hausarbeit, für die sie sich mehr Zeit nehmen können, sinnvoller, um wirklich festzustellen, wie gut jemand ein Thema verstanden hat.
World of Mindset: Und was tun Sie, um ihre Schüler nicht zu sehr zu stressen, vor allem in den Zeiten wo viele Arbeiten geschrieben werden?
Frau Oehmichen: Ich versuche, rechtzeitig und präzise anzugeben, was sie in einer Arbeit erwartet. Das ist hilfreicher, als wenn man nur sagt: „In der Arbeit kommt dran, was wir seit der letzten Arbeit gemacht haben.“
World of Mindset: Also Sie haben ja schon gesagt, dass Sie das mit den Arbeiten nicht so gut finden, aber denken Sie, dass die Schule sonst genug macht, um die Schüler zu entlasten?
Frau Oehmichen: Es gibt auf jeden Fall Dinge, die man darüber hinaus innerhalb des Systems machen kann, aber insgesamt hilfreicher wäre es, das System als solches an verschiedenen Stellen zu verändern, etwa die Notengebung: Es gibt seit längerem eine lebhafte Diskussion darüber, ob z.B. Benotung als solche überhaupt ein adäquates Mittel der Leistungsfestellung sein sollte. Es gibt viele Schräubchen, an denen man drehen könnte, um Schule so zu gestalten, dass sie z.B. ein angstfreier Raum wird und sowohl Lehrer als auch Schüler insgesamt lieber zur Schule gehen. Aber innerhalb dessen, was im Moment staatlicherseits vorgegeben ist, finde ich, dass unsere Schule vieles schon richtig gut macht.
World of Mindset: Also Sie meinen, dass man sich dann einfach generell in der Schule wohler fühlt und so der Stress verkleinert wird?
Frau Oehmichen: Ja, im Moment ist Lernen – ich vereinfache jetzt - so: der Lehrer kommt rein, sagt, was gemacht wird, die Schüler lernen die Inhalte, spucken sie bei der nächsten Klassenarbeit aus und vergessen das meiste dann wieder. Und das macht glaube ich oft relativ wenig Spaß und ist vor allem wenig effizient. Unsere Bildungspläne sind überfrachtet mit so vielen Inhalten, und wenn man das alles umsetzen und vermitteln soll, dann geht das nur in einem Unterricht nach dem Prinzip des Nürnberger Trichters https://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%BCrnberger_Trichter
In unserer Gegenwart, wo ich mit zwei Klicks zu jeder nur denkbaren Information kommen kann, ist es so viel wichtiger, dass ich in der Schule z.B. lerne, wie ich gezielt im Internet recherchiere, als dass ich alle möglichen Inhalte auswendig lerne, um sie überwiegend gleich wieder zu vergessen.
World of Mindset: Denken Sie dann auch, dass es was bringen würde, wenn man den gleichen Stoff anders vermitteln würde, einfach mit mehr interaktiven Übungen etc.?
Frau Oehmichen: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass nur dann wirklich etwas hängen bleibt, wenn verschieden Sinneskanäle angesprochen werden, und wenn die Schüler etwas von sich selbst einbringen können. Wie zum Beispiel die Friedensreise ins Elsass vor zwei Jahren, die in einer Performance im Stuttgarter Landtag mündete, das war einfach ein Erlebnis, das war für alle total cool.
World of Mindset: Was denken Sie, wie könnte man generell Jugendlichen helfen und unterstützen, die schlecht gelaunt sind oder eine schwere Zeit durchmachen? Auch jetzt speziell mit Corona, wo sich viele vielleicht einfach nur im Zimmer verkriechen, wenn es ihnen nicht gut geht?
Frau Oehmichen: Ist eine schwierige Frage, weil ja auch jeder anders tickt, aber den Schülern, die sich nur im Bett verkriechen, hilft es ja auch nicht, wenn jemand ihnen irgendwelche Aktivitäten vorschlägt – das ist ja gerade das Problem, dass ihnen die Motivation fehlt, sich zu irgendwas aufzuraffen. Gerade jetzt in Coronazeiten, wo wir alle irgendwie einfach nur vor uns hindümpeln. Ich denke, am ehesten kommen noch enge Freunde an diese Person heran. Wenn es ganz schlimm ist, und keine Bezugsperson da ist, fallen mir Beratungsstellen oder die „Nummer gegen Kummer“ ein. Natürlich kostet es auch Überwindung, solche Angebote in Anspruch zu nehmen, aber ich glaube, das ist heute nicht mehr so wie noch zu meiner Schulzeit, als es noch eher als ein totaler Makel empfunden wurde, bei so was anzurufen.
World of Mindset: Also würden Sie auch sagen, dass Sie in diesem Bereich gerne etwas an der Schule ändern würden?
Frau Oehmichen: Ja. Ich fände zum Beispiel einen Rückzugs-Raum im Sinne eines „Safe Space“ eine gute Idee.
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